Meine liebsten Brettspiele 2022

Ein Kind zu bekommen stellt das Leben auf die seltsamsten Arten auf den Kopf. Mir war ja vorher klar, dass ich weniger Zeit für mich und meine Hobbies haben würde, aber wie sich das dann wirklich bemerkbar gemacht hat war einigermaßen überraschend. Meine Interessen haben sich extrem komprimiert, teilweise auf absolut erwartbare Arten, teilweise aber auch komplett überraschend. Mir sind auf einmal Aktivitäten wichtig, von denen ich das früher niemals behauptet hätte. Brettspiele nehmen dabei so ein mittleres Weirdness-Niveau ein: Sie wurden mir sehr viel wichtiger, aber das lässt sich ja auch leicht erklären, weil ich damit mein Bedürfnis nach Spiel, Entspannung, sozialem Kontakt und noch ein paar Sachen mehr gleichzeitig erfüllen kann.

Das hat jetzt dazu geführt, dass ich 2022 mehr gespielt habe als jemals zu vor. Teilweise muss ich das vermuten, denn 2022 ist außerdem erst das zweite Jahr, in dem ich wirklich jede einzelne Partie notiert habe. Beweisen kann ich also nur, dass ich 2022 mehr gespielt habe als 2021, aber ich glaube mein Gefühl ist hier sehr deutlich richtig. Außerdem war 2022 das Jahr, in dem ich dank Mastodon langsam einen Weg in eine Brettspiele-Community gefunden habe und in dem ich das Gefühl hatte dass meine Brettspiel-Upgrades so wertvoll sind dass es mir nicht mehr peinlich war deswegen nach Geld zu fragen.11Ihr könnt mir natürlich aus allen möglichen Gründen Geld geben wenn ihr das wollt. Ich mein ja nur.

Insgesamt sind es 255 Partien in 57 verschiedenen Spielen geworden. Das ist, wenn man sich Brettspiel-Communities anschaut, natürlich nicht übermäßig viel, aber wenn man das auf die Gesamtbevölkerung betrachtet vermutlich richtig viel. Und ich hatte Lust, daraus jetzt eine Topliste zu generieren. Also hab ich die Ranking Engine hergenommen und losgerankt. Diese Art das Ranking zu erstellen fand ich faszinierend. Da man manche Spiele einfach nicht miteinander vergleichen muss und sie trotzdem in der Rangliste ordnet hat mich das Ergebnis an ein paar Stellen selbst überrascht. Und umgekehrt hat es ein paar schwierige Fragen aufgeworfen, weil ich einige Spiele dann doch direkt gegeneinander vergleichen musste – besonders schwer gefallen ist mir Kemet gegen Stadt Land Vollpfosten (ich schwöre das wird gleich Sinn ergeben!) und Abgrundtief gegen Battlestar Galactica.

Über den größten Teil der Spiele will ich nur schnell ein paar Worte verlieren, über die Top 20 dann jeweils einen Absatz und zu den Top 10 dann jeweils einen kompletten Text. Fühlt euch frei, die Dinge zu überspringen, die euch nicht interessieren.

Was ich sonst noch so dieses Jahr gespielt habe

Was ich gespielt habe ist ganz einfach öffentlich einsehbar, seit ich penibel alle Spiele logge, und ich sehe keinen Mehrwert darin, hier jetzt aufzudröseln, was auf Platz 34 und 35 gelandet ist. Aber von ein paar Spielen, zu denen ich eine starke Meinung hatte, würde ich diese gerne loswerden.

Kemet: Blood and Sand hat mir überhaupt nicht gefallen: Es ist auf dem letzten Platz gelandet. Ja, noch hinter Stadt Land Vollpfosten, das einfach nur ein noch weniger witziges Cards Against Humanity ist, weil ich die Witze auch noch selbst schreiben muss. Ich freue mich für alle, denen das Spiel gefällt, und ich glaube fast ich versteh warum, aber es ist absolut nicht meine Angelegenheit. Ich hatte nie das Gefühl gerade überlegt zu handeln – es waren so viele kleine Karten im Spiel, die ich ständig in meinem kleinen Begleitheft nachschlagen musste, dass ich nie wirklich wusste, wozu meine Gegner*innen überhaupt fähig sind oder wie ich sie besiegen kann. Dieses Spiel hat zu viele öffentliche Informationen, die alle irgendwie Einfluss auf meine Strategie nehmen sollten, es hat mich komplett überlastet.

Nachdem meine Frau und ich mit Kitchen Rush sehr viel Spaß hatten dachten wir, Clinic Rush wäre dann sicher auch genau unser Fall. Und objektiv würde ich auch dabei bleiben: Das Spielprinzip, unter Zeitdruck koordiniert gemeinsam etwas zu erledigen, wurde um Geschicklichkeits-Elemente erweitert, die meiner Meinung nach sehr gut ins Spiel passen. Aber irgendwie … hat es mich komplett kalt gelassen und ich kann nicht mal mit dem Finger drauf zeigen warum. Oh naja, vielleicht sehen wir uns ja in meinen liebsten Brettspielen 2023 wieder, und ich kann das weiter ausführen.

Nur knapp die Top 20 verpasst hat Kingdom Death: Monster, bei dem ich ehrlich gesagt selbst davon überrascht war, wie hoch es platziert ist. Ich halt das für viel zu viel Aufwand und viel zu viel Pomp, um ein fundamental extrem simples Spiel zu spielen. Aber scheinbar hat der Pomp mich dann doch mehr beeindruckt, als ich selbst gedacht hätte.

Plätze 20 bis 11

Kingdom Builder auf Platz 20 ist halt einfach irgendwie … da. Darauf festgenagelt warum ich es gut finde muss ich wohl sagen, dass es unverbindlich ist.

Platz 19 bekommen Die Quacksalber von Quedlingburg. Von meinem hohen Ross im Elfenbeinturm herabblickend muss man natürlich sagen, dass das kein gutes Spiel ist, weil es extrem glücksabhängig ist und noch dazu so starke Aufholmechaniken hat, dass es sowieso nur in den letzten ein oder zwei Runden entschieden wird. Aber wisst ihr was, das ist mir egal. Quacksalber schafft es diese Probleme so gut zu verstecken, dass es sich einfach extrem gut anfühlt, egal was man tut – Fehlschläge kann man schließlich komplett auf sein Pech schieben, während man sich alle Erfolge natürlich mit seinem Geschick beim Zusammenstellen des Beutels verdient hat.

Bei Cubitos auf Platz 18 bin ich mir nicht sicher ob ich das wirklich so gut finde oder es mir einfach nur wirklich Spaß gemacht hat die eigenen Komponentenboxen dafür zu designen. Gefunden habe ich das jedenfalls bei meiner Quest, ein Spiel zu finden bei dem man absurd viele Würfel wirft, nachdem Roll for the Galaxy mich an dieser Front maßlos enttäuscht hat. Und bei den vielen Würfeln liefert es richtig gut ab und viele Würfel zu werfen macht inhärent Spaß. Den Kritikpunkt, den ich aber vorbringen muss, ist dass die Interaktion zwischen den Spielenden schon arg aufgesetzt ist und man die meiste Zeit einfach so seine eigenen Würfel vor sich hin optimiert.

Die Plätze 16 und 17 werden belegt vom heiligen Gral der Brettspiele Battlestar Galactica und Abgrundtief. Ich finde es einigermaßen amüsant dass die beiden tatsächlich nebeneinander gelandet sind, denn ja, sie sind überwiegend das gleiche Spiel. Man merkt es Abgrundtief an, dass es modernisiert wurde, aber Battlestar Galactica ist trotzdem auf dem höheren Platz gelandet, denn es hat Charme, der Abgrundtief leider komplett abgeht. Ich mein, wenn ich nur das Cover sehe fange ich schon an mich zu langweilen. Wenn ich Cthulhu höre langweile ich mich. Wenn ich HP Lurbleburb lese bin ich gelangweilt und ein bisschen wütend (das HP steht für Rassist). Das ist alles so langweilig, warum reitet Fantasy Flight Games so dermaßen auf dieser Nicht-Lizenz rum?

Nemesis auf Platz 15 macht eigentlich alles falsch, was Brettspiele falsch machen können. Es hat viel zu viele viel zu kleinteilige Komponenten, die Regeln sind echt fummelig und fordern es praktisch heraus dass man was vergisst, praktisch alles wird per Zufall entschieden und es hat Spielendenelimination in einem Spiel, das auch gerne mal ein paar Stunden geht. Uff. Aber auch wenn ich letzteres tatsächlich für ein mittelschweres Problem halte sorgt das alles dafür dass es wirklich ein abenteuerlicher, emotionaler Ritt ist. Für eine der besten Mechaniken seit der Erfindung von Würfelpools halte ich übrigens die Lebenspunkte der Gegner. IYKYK.

Auf Platz 14 hat es 7 Wonders Duel geschafft und ich hab eigentlich wenig darüber zu sagen, was nicht schon gesagt wurde. I just think they’re neat.

Blitzkrieg, oder wie der deutsche Verlag sich erdreistet hat es zu nennen, Winziger Weltkrieg, ist auf Platz 13 wohl sowas wie mein Geheimtipp. Es ist wahrscheinlich das unbekannteste von den Spielen hier oben. Es hat alles, was Leute an Wargames mögen, aber eingedampft auf weniger als eine halbe Stunde Spielzeit und eine richtig kleine Schachtel.

Wir haben The King’s Dilemma bei weitem nicht zu Ende gespielt, aber haben es noch fest vor. Das Leben kam halt dazwischen, man kennt es. Trotzdem rankt es hier auf Platz 12. Obwohl ich die Story zum Teil unübersichtlich und ein bisschen plump finde ist es doch immerhin auf eine interessante Art erzählt und auch wenn die Kernmechanik nur mäßig viel her macht sind die Minispiele die sporadisch mit eingeworfen werden zum Teil richtig schön designt. Ich bin wirklich gespannt, wie die Fortsetzung so wird. Vorher ist aber Pandemic Legacy: Season 0 dran, das noch eingeschweißt hier steht.

Auf Platz 11 bin ich mal richtig basic und wähle Azul. Was soll ich dazu sagen, Azul ist halt gut. Azul ist so gut, der Verlag macht ein richtiges Franchise aus Azul. Es würde mich nicht wundern, wenn Amazon demnächst ankündigt in Kooperation mit Asmodee ein Period Piece über König Manuel I. als Serie mit Azul-Branding zu produzieren. Steine machen KLACK KLACK, was will ich mehr?

Top 10

10. Inis

Dieses Spiel war Liebe auf den ersten Blick. Die Schachtel war noch nicht mal offen da wusste ich schon: Ui. Das hier ist was. Und innendrin geht es direkt so weiter.

Inis ist illustriert von Jim Fitzpatrick, der tatsächlich mal ein bekanntes Bild gemacht hat. Also wie es aussieht tatsächlich genau eines. Und ein paar Albumcover hat er gemacht, von denen ich eines sogar kannte, ihr vielleicht auch, aber vielleicht ein anderes als ich. Ich mein, schaut es euch mal auf seiner Website an. Ein paar von den Artworks sind direkt aus dem Spiel12Oder im Spiel wurden ein paar seiner Artworks benutzt, ich weiß ehrlich nicht was zuerst da war. und sie sind hottttt. Die Karten im Spiel sind allesamt in Tarot-Größe, was jetzt nicht strikt nötig gewesen wäre um den Text unterzubringen, aber dadurch bleibt ziemlich viel Platz für Bilder. So. Hot.

Dass das Spiel hübsch ist hilft jedenfalls, aber was man mit den hübschen Karten macht fand ich auch sehr gut. Es sieht aus wie so ein klassisches Dudes13Ganz im Sinne des Diskurses, ob Dude denn nun ein gender-inklusiver Begriff ist oder nicht, hat Inis übrigens als Figuren einigermaßen gleichberechtigt Männer und Frauen, und einer der Tokens hat zwei Seiten mit verschiedenen Bildern die man sich aussuchen kann, so als nett gemeinter Shoutout am Rand. on a Map-Spiel, bei dem man kleine Plastikleute über eine Karte schiebt und sie sich so lange die Plastikköpfe einschlagen lässt bis nur noch eine Farbe von Plastikleuten steht, aber ist in Wahrheit gar keines. Im Gegenteil, zu kämpfen macht es einem sogar schwerer zu gewinnen, weil eine der Siegbedingungen sogar verlangt, dass ausreichend viele Gegner auf der Karte stehen.

In Wahrheit ist Inis ein bisschen Ressourcenmanagement, ein bisschen Drafting und ein bisschen Bluffen. Und bloß weil nicht gekämpft wird heißt ja nicht dass es hier keine Konflikte gibt, es ist ein dauerhafter Konflikt, nur halt eben ohne Waffen. Es gibt einfach keinen Moment ohne Spannung. Und dann ist es auch noch so einfach, dass man es Leuten die schonmal ein Brettspiel gespielt haben in fünf Minuten erklärt hat.

9. Oath

Oath ist definitiv eines der meisten Brettspiele, die ich je gespielt habe. Und dabei habe ich, Stand jetzt, Oath erst genau zwei Mal gespielt. Aber selten hat ein Spiel mich vor, während und nach des Spiels so intensiv beschäftigt wie Oath. Ich kann nicht mal sagen, ob Oath ein gutes Brettspiel ist, aber es ist auf jeden Fall eines der interessantesten, die ich je gespielt habe.

Die beiden Spiele waren … eher durchwachsen. Beide Male mit der gleichen Gruppe gespielt und beide Male haben die Spiele einfach absurd lang gedauert, jeweils um die sechs Stunden. Beim ersten Mal war wenigstens das Ende interessant: Da hat eine Mitspielerin, welche die ganze Zeit eher unauffällig und zurückhaltend gespielt hat, einfach in der letzten Runde den Sieg geschnappt und konnte nicht mehr aufgehalten werden. Im zweiten Spiel war das Ende dann auch noch unfassbar antiklimatisch: Ich habe mich in der vorletzten Runde in eine Situation manövriert, in der ich das Spiel praktisch unweigerlich gewinne und konnte bis zum Ende nicht mehr gestoppt werden. Selbst ich habe geholfen zu überlegen, wie man mich selbst jetzt noch besiegen könne, weil ich das Ende so unfassbar öde fand. Richtig gefreut, der Sieger zu sein, habe ich mich dann nicht.

Aber trotzdem, der Weg dahin war eigentlich sehr interessant und eigentlich sogar extrem kurzweilig, nur war es gleichzeitig eben auch ein bisschen langweilig und hat sich gezogen wie Gummi. Als ich im Nachhinein mit anderen Leuten, die Oath sehr mögen, darüber geredet habe, wurde mir gesagt wir hätten zu fest versucht zu gewinnen. Es sei kein Spiel, das man spielt um zu gewinnen, weil es dann wirklich ein ödes, langwieriges Trauerspiel wird. Es ist mehr so Fuck around and find out aber als Brettspiel, mutige Züge seien wichtiger als gute Züge, man kann sich da durch rollenspielen … na toll. Das Spiel selbst ist halt wirklich nicht gut darin, solche Erwartungen zu kommunizieren und man kann sie eigentlich nur erfüllen, wenn man entgegen dem Framework spielt, das das Spiel einem präsentiert.

Es ist wirklich kompliziert meine Gefühle für das Spiel in Worte zu fassen, aber sie sind da und sie sind intensiv. Und, ohne Übertreibung, es vergeht seitdem kaum ein Tag an dem ich nicht wenigstens kurz an Oath denke. Ich will es auf jeden Fall nochmal spielen, wahrscheinlich mit anderen Leuten, weil ich diese hier ziemlich sicher nicht mehr dazu überreden kann, weil sie nicht die Leute sind die ununterbrochen an Oath denken. Und ich will endlich verstehen, ob Oath ein gutes Spiel ist.

8. Root

Root zu erklären ist das Gegenteil davon, Inis14Dadurch, dass ich einen Teil des Textes referenziere, der weiter oben steht, haben wir nun vollständige temporale Verwirrung erreicht, das werdet ihr aber erst verstehen, wenn ihr den Text zu Aeon’s End gelesen habt. Wibbly Wobbly Timey Wimey. zu erklären: Auch Leuten die schonmal ein Brettspiel gespielt haben kann man es nicht in unter einer Stunde erklären. Es ist nicht mal so, dass es in Root übermäßig viel kompliziertes Zeug gäbe, es gibt einfach nur übermäßig viel Zeug.

Es fühlt sich ein bisschen nutzlos an im Jahr 2022 2023 zu erklären, was Root ist, das wahrscheinlich meistdiskutierte Expert*innenspiel der Jahre 2018 bis 2025, aber sei es drum: Root ist ein Wargame, bei dem man als niedliche Waldtiere getarnte Tokens über einen als niedlichen Wald getarnten abstrakten Graphen schiebt, bis irgendjemand genug als Siegpunkte getarnte Siegpunkte gesammelt hat um zu gewinnen. Ihr merkt schon, das Thema von Root ist grob irreführend weil alles so niedlich aussieht, es in Wahrheit aber ein ultra-komplexes Strategiespiel ist, verrichtet dabei aber einen großen Teil der Arbeit in diesem Spiel. Zum einen, weil es ein so interessantes, unverbrauchtes und neues Setting war, dass offensichtlich sogar Leute nach einem Rollenspiel gefragt haben und erhört wurden. Zum anderen, weil die Illustrationen von Kyle Ferrin großartig sind.

Dabei müssen Spielende sich für jeweils eine Fraktion entscheiden und ohhhh, die Fraktionen. Das Basisspiel hat vier Fraktionen für bis zu vier Leute, mit den Erweiterungen steigt das auf acht Fraktionen für bis zu sechs Leute und weiß der Geier wie viele das noch werden, und jede Fraktion spielt ein eigenes Spiel, das teilweise das gleiche Spielmaterial benutzt wie die anderen Fraktionen. Und ich meine wirklich ein eigenes Spiel, die Überschneidungen bei den Regeln sind nur so ein paar Basisregeln. Es wird oft gefrotzelt dass Cole Wehrle einfach jede einzelne Spielmechanik die es gibt in Root einbauen will und ja, offensichtlich will er das. Leider muss man deswegen Neulingen jede Fraktion die mitspielt einzeln erklären, das ist aber auch die Faszination des Spiels.

Weil das Problem bei Root hauptsächlich ist ab und zu eine brauchbare Menge von Leuten zusammenzubekommen, die wirklich bereit sind ein so komplexes Spiel zu lernen, habe ich es hauptsächlich in der App gespielt, aber zum Glück nicht nur.

7. Arkham Horror: Das Kartenspiel

Nachdem ich das jahrelang ein bisschen interessiert beäugt habe ist es jetzt tatsächlich passiert und ich habe hier den Einstieg gewagt. Skeptisch war ich vor allem aus zwei Gründen. Erstens mochte ich das Herr der Ringe-Kartenspiel nur so mittelmäßig. Zweitens gilt was ich oben über das Setting von Abgrundtief schrieb natürlich auch hier, es ödet mich einfach nur noch an. Interessiert war ich wegen der Kampagnenmechanik. Und überzeugt davon es mal zu probieren hat mich dann, naja, Marvel Champions und meine dadurch gewonnene Liebe zu Sammelkartenspielen und die Überschneidungen in den Teams. Aber dazu später mehr.

Ja, leider fände ich dieses Spiel weitaus besser, wenn es ein anderes Setting hätte. Ich mein, lasst mich doch bitte einfach in Ruhe mit dem Gedöns, ich kann es wirklich langsam nicht mehr sehen. Abgesehen davon ist es ein weitaus „traditionelleres“ Deckbau-Spiel als Marvel Champions, hier zieht man sich nur sehr langsam durch sein Deck, spart Ressourcen, behält Karten lange auf der Hand bis der richtige Moment da ist. Und das ist … okay? Ich finde das Spiel absolut okay. Wenn ich die Wahl habe, ob ich eine Partie Arkham Horror oder eine Partie Marvel Champions spiele ist die Wahl immer Marvel Champions und daran gemessen wäre Arkham Horror bei mir wohl auch den Weg des Herr der Ringe gegangen.

Aber die Kampagnen-Mechanik ist wirklich, wirklich gut. Die Kampagne im Basisspiel wird dem leider nicht wirklich gerecht, aber in den großen, langen Kampagnen gibt es so viele Stellschrauben, was sich alles während des Spielens dynamisch ändern kann! Der Chaosbeutel trägt sehr viel dazu bei, als glorifizierte Würfelmechanik mit persistent änderbaren Seiten. Und sein Deck ändert man während einer Kampagne auch, es gibt sogar einige Karten die gar nicht aus der Kampagne stammen und trotzdem interessante Kampagnenmechaniken haben. Und zu all dem ist die Kampagne selbst auch noch praktisch ein Choose your own adventure-Buch, bei dem Ereignisse während eines Spiels steuern, wie es weitergeht.

Ich habe oft gelesen dass das Grundspiel hier nur die Demo ist. Leider habe ich festgestellt dass das stimmt, mit wenigstens einer Kampagnenerweiterung ändert sich die Erfahrung deutlich. Ich bereue nicht, dass ich dieses Jahr deswegen einen mittelgroßen Betrag investiert habe, es ist schließlich nicht ganz grundlos auf Platz 7 gelandet. Aber ich halte das auch nicht unbedingt für ein gutes Wertversprechen, insbesondere wenn man sieht wie viel Spiel bei Marvel Champions alleine im Basisspiel drin war, also gehen hier meine Aussagen ob ich das Spiel mochte und ob ich das Spiel empfehlen würde weit auseinander. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich in Zukunft einen großen Bedarf an mehr von diesem Spiel habe. Was ich mir wirklich wünschen würde ist, dass ein bisschen vom guten Kampagnen-Design von hier auch in den doch eher unterwältigenden Kampagnen von Marvel Champions landet.

6. Android: Netrunner

Finde es selbst problematisch dass ich das so weit oben ist, denn eigentlich habe ich es noch nicht richtig gespielt. Um das richtig zu spielen braucht man Gesellschaft. Es ist eigentlich egal, wie groß diese Gesellschaft ist, die kann reichen von der weltweiten Turnierszene bis zu einer Person mit der man es regelmäßig auf seinem Küchentisch spielt, aber sie muss da sein. Und so richtige Gesellschaft habe ich nicht. Eine lokale Szene kann ich hier nicht finden, online spielen hat ganz eigene Probleme, die nächste regelmäßige Spielgruppe die ich finden konnte ist eine Stunde mit dem Auto und ich konnte noch niemanden den ich schon kenne dazu bringen, auf das Spiel so sehr einzusteigen wie ich; es ist bei ein paar wenigen Partien mit nicht mal selbst gebauten Decks geblieben.

Schade, aber trotzdem übt das Spiel eine gewaltige Faszination auf mich aus. Es ist einfach so furchtbar elegant ein Spiel, in dem es im Endeffekt um Spionage geht, um geheime Informationen herum zu bauen und diese so auszugestalten, dass sie kein reiner Gedächtnistest werden, sondern unendlich viel Bluffing und Finten erlauben. Der Deckbau passt auch genau in dieses Konzept: Eigentlich entscheidet man sich für eine Fraktion und darf dann nur Karten von dieser Fraktion verwenden. Da von Anfang an offengelegt wird, welche Fraktion man spielt, gibt man seinem Gegenüber gleich sehr viel Information darüber, welche Spielweise zu erwarten ist. Aber nicht alles, weil man eben doch immer eine kleine Handvoll Karten aus anderen Fraktionen benutzen darf, mit denen man dann im Spiel für Überraschungen sorgen kann.

Einsteigerfreundlich ist das Spiel dabei nicht unbedingt. Nicht nur wegen des Deckbaus, der dadurch dass er eben doch komplett offen ist und einen nicht auf eine Fraktion beschränkt entsprechend anspruchsvoll ist. Vor allem auch, weil alles in dem Spiel extrem eng vernetzt ist. Es ist praktisch unmöglich ein einziges Konzept getrennt vom restlichen Spiel zu erklären. Egal wie man anfängt, man provoziert Unmengen an Anschlussfragen quer durch das komplette Spiel, keine davon einfacher zu beantworten als das, was man gerade gesagt hat. Es gibt einfach keine Grundlage, mit der man anfangen könnte, um dann darauf nach und nach aufzubauen. Das Einsteigerspiel benutzt deswegen sogar illegale Decks und lässt einige Spielmechaniken schlicht und ergreifend weg – wodurch man aber wieder ein deutlich anderes Spiel spielt das sich anders anfühlt.

Aber gerade deswegen bin ich ja so fasziniert von dem Spiel. Ich muss es dazu gar nicht spielen. Einfach nur am Rand zu stehen und gutes Spieldesign zu bewundern ist ja auch ganz reizvoll. Und was auch einen nicht zu leugnenden Teil meines Interesses ausmacht ist der Punkt, an dem sich das Spiel gerade befindet. Android: Netrunner im eigentlich Sinn wurde schon vor einigen Jahren aus Lizenzgründen eingestellt, alte Sets sind zusehends schwerer zu bekommen und es werden natürlich auch keine neuen Karten gedruckt. Trotzdem ist gerade ein großartiger Moment, um in das Spiel einzusteigen, denn das Fankollektiv Null Signal Games hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses großartige Spiel nicht sterben zu lassen.

Angefangen hat es damit, dass sie die Turnierszene am Laufen hielten und über ein paar Balancing-Updates hat es schließlich dazu geführt, dass sie mit System Gateway ein eigenes Einsteigerset veröffentlicht haben und jetzt regelmäßig Erweiterungen entwickeln. Sie nennen das Spiel übrigens nur noch Netrunner, weil der Android-Teil wohl die Lizenz daran ist. Und obwohl sie gerade dabei sind sich zu professionalisieren, zum Beispiel mit einem eigenen Shop für gedruckte Karten, machen sie das alles immer noch umsonst und offen. Man kann sich alle Regeln und alle Karten einfach auf ihrer Webseite herunterladen, selbst drucken und losspielen. Und mit gleichzeitigen Releases in mehreren Sprachen, sinvollen Regelanpassungen und einer sehr offenen Kommunikation machen sie das sogar besser als viele andere Verlage. Und alleine zu sehen wo da die Reise hingeht ist schon spannend.

5. Unmatched

Das war eine späte Einreichung zum Wettbewerb. Deswegen habe ich, stand jetzt, auch erst zwei Partien hinter mir, diese fand ich aber sehr überzeugend. In Unmatched stehen sich zwei mythologische (lies: gemeinfreie) Charaktere gegenüber und hauen sich so lange gegenseitig aufs Fressbrett, bis nur noch einer von ihnen steht. Es ist wirklich so simpel, wie das jetzt klingt.

Dabei ist Unmatched in erster Linie gar nicht mal so ein klassisches Miniaturenspiel, obwohl die Miniaturen sehr hübsch sind, sondern ein Kartenspiel. Ganz im Sinne des Jahresthemas, es gibt bei mir nur noch Kartenspiele, lasst mich in Ruhe! Jeder Charakter kommt mit einem vorgefertigten Deck und das komplette Spiel besteht nur daraus, Karten zu spielen – die Miniaturen sind dabei nur der Game State, der von den Karten verändert wird.

Ich werde weiter unten nochmal ein Spiel mit Dota verglichen haben15Der Wiederspielwert dieses Textes ist extrem hoch, weil ihr so viele Referenzen erst versteht, wenn ihr alles gelesen habt! und will das hier jetzt auch wieder tun. Bei Unmatched ist der Zusammenhang viel offensichtlicher, dafür aber auch oberflächlicher: Man wählt zu jedem Spiel aus extrem unterschiedlichen Charakteren und wenn man sowohl seinen eigenen als auch den Charakter der Gegenseite gut kennt wird das Spiel signifikant besser.

Meine Beziehung zu der Auswahl an Charakteren ist … schwierig. Initial auf Unmatched aufmerkam wurde ich, weil eine Buffy-Erweiterung dafür erschienen ist. Und neben noch vielen weiteren, gemeinfreien Charakteren gibt es auch noch Jurassic Park und Kram von Marvel. So viel Marvel. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem ich Marvel irgendwann genauso öde finde wie alles was mit Arkham anfängt. Aus guten Gründen verzichte ich aber üblicherweise darauf englischsprachige Spiele zu kaufen und der deutsche Verlag hatte irgendwann klargestellt, dass nichts davon auf Deutsch erscheinen wird, weil es eine komplette Lizenzhölle ist – nachvollziehbar, für mich war das Spiel damit aber wieder gestorben, weil ich mich so über Buffy gefreut hatte.

Aber dann ist eine Sache passiert, die ich ehrlich gesagt selbst ganz witzig finde, so im Nachhinein betrachtet: Unmatched ist als Videospiel erschienen und das Studio hat auch angekündigt dass keine einzige der lizenzierten Erweiterungen erscheinen wird weil das eben auch eine Lizenzhölle ist. Und aus irgendwelchen Gründen fand ich es dann plötzlich wieder akzeptabel und habe Unmatched wieder auf meine Wunschliste gesetzt. Wer weiß schon, wie ich funktioniere?

Was ich bekommen habe ist ein Spiel, über das ich nach dem ersten Match tagelang nachgedacht habe und es unbedingt nochmal spielen wollte. Ich überlegte, was ich falsch gemacht hatte, wie ich Karten besser hätte optimieren können, was ich von meiner Gegnerin hätte erwarten müssen. Darüber, wie ein Spiel auf hohem Niveau abläuft, kann und will ich noch nicht urteilen, aber das Erkunden der Charaktere und Matchups macht mir unheimlichen Spaß. Und selbst wenn es mir dann am Ende gar nicht mal gut gefällt – solange ein dauerhafter Strom neuer Charaktere kommt ist das ja auch ein Gewinn für mich.

4. Aeon’s End

Aeon’s End hat meine Frau und mich damals überrollt wie eine Dampfwalze. Ui, das gibt einen Euro in die Phrasenkasse. Ist aber wahr. Also nicht wortwörtlich, die Schachtel ist ziemlich klein und ich bin ziemlich groß, Aeon’s End kann mich nicht überrollen. Bei meiner Frau bin ich mir allerdings nicht ganz sicher. Äh. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja.

Aeon’s End hat meine Frau und mich damals überrollt wie eine Dampfwalze. Nach einigen … Verstrickungen16Das verstehen jetzt nur so drei Leute, aber das war es mir wert! hielten wir das in Händen, nachdem ich es bei einem Freund gespielt habe und es ist sofort eingeschlagen wie eine Bombe. Ui, das gibt einen Euro in die Phrasenkasse. Ist aber wahr. Also nicht wortwörtlich, die Schachtel enthält keinen Sprengstoff und ich habe auch keinen rein getan. Bei meiner Frau bin ich mir allerdings nicht ganz sicher. Wir haben grundsätzlich mehrere Wochen lang nichts anderes gespielt, dann die Erweiterungen gekauft, nochmal mehrere Wochen lang nichts anderes gespielt, Welle 2 gekauft und so weiter.

Als ich es zum ersten Mal gespielt habe wusste ich ganz vage dass ein League of Legends-Brettspiel erschienen war, wusste aber nicht viel darüber. Sorry Mechs vs. Minions, heute kenne ich dich sogar beim Namen, gespielt habe ich dich trotzdem nie! Deswegen habe ich erwähnten Freund gefragt, ob Aeon’s End denn dieses Spiel sei, weil der Art Style mich so furchtbar dran erinnert hat, aber das war es natürlich nicht. Aber trotzdem finde ich den Vergleich heute aus komplett anderen Gründen nicht mehr komplett unangebracht, denn ich habe es seitdem mehrmals als ein Dota17Da League of Legends ein Spiel für Babys ist wollte ich den Vergleich gerne auf ein höheres Niveau ziehen. Haha, Spaß. Connaisseure wissen, dass wir in der Moba-Szene einen guten Diss des falschen Spiels zu schätzen wissen. Ich bin einfach ganz klar Team Dota und kann nur vermuten dass ich die gleichen Sachen auch über League of Legends erzählen könnte. Ich habe gar nichts gegen League of Legends! Also nichts was hilft. Hehe. Schon wieder Spaß. Oder nicht? 😉-Brettspiel bezeichnet.

Aeon’s End ist ein Spiel über relative Machtkurven. Das ist ein Konzept, das in einigen Spielen relevant und in Dota eines der spielentscheidendsten Dinge ist, auch wenn es nicht immer aktiv so benannt wird. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Spiel sind die Spielenden unterschiedlich stark, egal ob durch Auswahl von Charakteren am Anfang oder Entscheidungen während des Spiels oder, wie im Fall von Dota oder Aeon’s End, durch beides. Und wenn zwei dieser Machtkurven in direktem Konflikt zueinander stehen bekommen wir eine relative Machtkurve, welche Fraktion gerade (theoretisch) die Oberhand hat.

In Aeon’s End bekommen Spielende durch das Spiel eine Machtkurve vorgesetzt und müssen sich dann gemeinschaftlich selbst eine eigene Machtkurve aufbauen und den richtigen Moment abpassen, wann die relative Machtkurve einen selbst favorisiert und diesen nutzen, um das Spiel zu gewinnen. Und das fühlt sich in Aeon’s End eben genau so an wie in Dota. Deswegen haben Teile der Community auch bewusst oder unbewusst angefangen, Sprachgebrauch aus Mobas zu übernehmen und die Charaktere in Supports und Carries aufgeteilt, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Spiels unterschiedliche Aufgaben übernehmen.

Ich habe vor kurzem noch gesagt bis vielleicht irgendwann Guards of Atlantis II erscheint wäre Unmatched18Es war ein strategischer Fehler, den Text von unten nach oben zu schreiben. Was ist, wenn ich jetzt gleich bei Unmatched irgendwas sage, bei dem ich dem hier widersprechen möchte? das beste Dota-Brettspiel, das man auf Deutsch kaufen kann. Aber das ist natürlich gelogen, denn Aeon’s End ist schon die ganze Zeit da! Und ich liebe es dafür.

Und mal ein kleines Lob am Rande: Frosted Games hat die wahrscheinlich beste Website eines deutschen Brettspieleverlages und es gibt prominent verlinkt eine Übersicht über den Status und die geplante Veröffentlichung aller angekündigten Spiele. Danke, Frosted Games!

Man merkt welchen Teil des Artikels ich geschrieben habe als ich sehr müde war, oder?

3. Flügelschlag

Flügelschlag ist ein erfolgreiches Spiel. Es ist ein wirklich, wirklich erfolgreiches Spiel. Und ich habe es auch schon eine ganze Zeit lang und habe so ziemlich den kompletten Hypezyklus miterlebt. Einschließlich des bei erfolgreichen Dingen unvermeidlichen Backlashes, bei dem die Mehrheit entscheidet, dass Flügelschlag doch nicht so gut ist wie sein Ruf. „Mehrheit“, natürlich. Die Leute, denen Brettspiele wichtig genug sind, dass sie sehr laut online rumbrüllen, dass Flügelschlag doch nicht so gut ist wie sein Ruf. Also ungefähr acht Leute. Und wisst ihr was? Die Mehrheit dieser acht Leute ist mir egal: Flügelschlag ist so gut wie sein Ruf.

Ich erkenne dabei sogar die Probleme, die von den acht Leuten immer wieder zitiert werden. Es gibt Runden da hat man halt einfach so viel Pech, dass man praktisch handlungsunfähig ist. Die Strategie die einem die meisten Punkte einbringt ist bei den meisten Kartenhänden nicht die Strategie, bei der man die meisten Vögel spielt oder die komplexesten Züge macht. Ein paar der Zielkarten sind sehr viel leichter zu erfüllen als andere und ihre Punktewerte spiegeln das nicht immer wieder. Und … und und und. Ja. Weiß ich alles. Die meisten Punkte werden übrigens mit der Ozeanien-Erweiterung eliminiert oder abgeschwächt.19Außer Raben. Nichts hilft gegen Raben. Wenn ihr ein ausgeglichenes Spiel wollt verbrennt alle Raben und schaut nicht zurück. Ich halte „Mit der Erweiterung wird es ein gutes Spiel, versprochen!“ aber ja selbst für ein fragwürdiges Argument. Aber Flügelschlag ist trotzdem gut.

Und es gar nicht mal so kompliziert zu erklären warum. Es ist trotzdem ausreichend gut um mir nicht im Weg zu sein bei den Sachen, die richtig gut sind. Ich lege kleine bunte Eier auf Vögel. Ich freue mich über die weirden Namen einiger Vögel. Ich lese die interessanten Texte auf den Vogelkarten. Ich werfe hübsche Holzwürfel in das Vogelhäuschen. Selbst einen kleinen Holzstein von Rechts nach Links über den Plan zu schieben fühlt sich hier besser an als in anderen Spielen, wahrscheinlich weil ich mir dabei alle meine Vögel mit den niedlichen bunten Eiern drauf nochmal anschauen kann.

Das Spiel ist ein Vehikel für Vögel und Vögel sind cool. Na gut, das tut dem Spiel absolut unrecht, denn wie gesagt ist es ja abgesehen davon auch noch ausreichend gut, sogar ziemlich gut, aber halt BoardGameGeek Top 300 gut und nicht Top 30 gut. Und ziemlich sicher auch nicht Millionenbestseller gut. Das ist es wegen der Vögel. Birbs ♥.

2. Spirit Island

Ich kann objektiv nicht behaupten, ich hätte Spirit Island 2022 zum ersten Mal gespielt, denn ich habe Beweise dafür, dass ich es am 31. Oktober 2021 schonmal gespielt habe. Damals aber nicht richtig. Also, tatsächlich nicht richtig. Wir haben, weil wir das Spiel damals alle noch nicht gut kannten, die Einsteigervariante gespielt, bei der wirklich viele der herausfordernden Regeln fehlen. Und noch dazu haben wir es eben objektiv nicht richtig gespielt, weil wir eine Regel falsch verstanden und uns das Spiel signifikant leichter gemacht haben. Tja, nun. Also sagen wir einfach, ich habe Spirit Island dieses Jahr zum ersten Mal gespielt.

Ich habe es auch tatsächlich nur in einem sehr kurzen Zeitraum gespielt, denn es war geliehen von genau der gleichen Person der es damals 2021 schon gehörte, für nur ein sehr kleines Zeitfenster. In der Zeit habe ich es aber oft gespielt, aber immer noch nicht so oft wie ich gerne gewollt hätte, denn das Spiel ist toll.

Ich liebe den Rhythmus von Spirit Island. Diese perfekt verteilten Machtkurven. Das Spiel fängt damit an, dass man komplett in der Defensive ist und versucht stärker zu werden. Und wenn das klappt gibt es einen spürbaren Kipppunkt, man erreicht das Midgame, wo man sich effektiv verteidigen aber noch nicht zurückschlagen kann, und versucht immer weiter stärker zu werden. Und wenn das auch noch klappt gibt es noch einen spürbaren Kipppunkt, ab dem man die Invasoren einfach nur noch vernichtet.

Ich habe wegen der kurzen Zeit mit dem Spiel nie wirklich hohe Schwierigkeitsgrade erreicht, also vielleicht liegt es einfach nur daran, aber wenn ich gewonnen habe war es nie knapp. Ich habe mich mächtig gefühlt. Ich war wirklich die Naturgewalt, die da auf meinem kleinen Brettchen steht. Leicht ist Spirit Island beim besten Willen nicht, die Schwierigkeit liegt aber darin sich überhaupt in die Lage zu versetzen, in der man das Spiel gewinnen kann. Und wenn man das schafft, oh, dann gewinnt man nicht einfach, dann gewinnt man. Und das ist unglaublich befriedigend.

1. Marvel Champions

Ja, nun. Das kam in der ersten Januarwoche hier an und ich habe es ungefähr zwei Monate lang ungesund viel gespielt. Danach habe ich dann gezwungenermaßen etwas weniger viel gespielt – ich war schlicht und einfach ausgebrannt und musste mal wieder an etwas anderes denken. Marvel Champions ist phantastisch. Es hat genau den Punkt bei mir getroffen an dem alles stimmt, von dem ich bisher nicht mal wusste, dass ich ihn habe.

Stellt sich raus dass ich Sammelkarten- und Deckbauspiele mag, und mir bei anderen Spielen nur die Einstiegshürde zu hoch war: Jetzt einfach so mit Magic anzufangen wäre nicht nur unglaublich teuer, ich bräuchte auch noch Leute, die das mit mir spielen und Marvel Champions löst als kooperatives und solo spielbares Spiel mit limitiertem Kartenpool einfach beide Probleme. Ja, diese Erkenntnis sieht man überall in den Top 10, aber Marvel Champions hat das in mir ausgelöst und steht immer noch ganz weit oben bei mir.

Einfach nur Karten anzufassen bereitet mir unfassbare Freude, und man kann noch so viel mehr mit ihnen machen! Man kann sie sortieren, man kann sie ordnen, man kann sie katalogisieren, man kann sie pflegen. Ich erzähle hier wahrscheinlich vielen Leuten nichts neues, aber mich hat die Erkenntnis überwältigt, dass ich hätte Bibliothekar werden sollen, weil ich einfach gerne Sachen katalogisiere. Es ist einfach inhärent gut.

Aber ja, ein Spiel hängt ja auch noch an den Karten dran, und das finde ich dann zum Glück auch sehr gut. Viele Leute ecken sehr an der Mechanik an, dass die Handkarten auch gleichzeitig die Ressourcen sind, und man immer nur einen Bruchteil seines Decks spielen kann, bevor man sich einmal durchgezogen hat. Ich verstehe ja dass das gelinde gesagt verstörend wirkt wenn man von anderen Kartenspielen kommt, wo ein leeres Deck mindestens nicht gut ist und manchmal sogar schlicht und ergreifend das Spiel verliert. Wenn man sich darauf einlässt, dass man jederzeit für geringe Kosten sein Deck einfach neu mischen kann macht es aber eine riesige Dimension von Entscheidungsmöglichkeiten beim Hand- und Deckmanagement auf, die man in anderen Spielen dann eben nicht hat, die ich hier aber sehr interessant finde.

Marvel Champions hat außerdem bei mir sehr präzise den Punkt getroffen, an dem ich die Komplexität des Deckbaus wirklich mag. Während ich zum Beispiel Decks in Magic immer ein bisschen einschüchternd fand, weil es bei einem entsprechend großen Kartenpool richtig viele Entscheidungen sind, ist Marvel Champions vergleichsweise entspannt: Mit den Heldenkarten bekommt man sowieso fast ein Drittel seines Decks vorgegeben und für die restlichen Karten ist der Kartenpool (bis auf sehr wenige Ausnahmen) dann auch noch auf zwei Fünftel reduziert. Das ermöglicht es mal eben nebenbei ein Deck zusammenzuwerfen, das dann auch funktioniert. Das funktioniert für Leute, die an anderen Spielen gerade die Komplexität des Deckbaus mögen, natürlich nur bedingt, aber wie gesagt, ich bin nicht diese Leute.

Größter Kritikpunkt am Deckbau ist, dass MarvelCDB es nicht erlaubt Decks mit sehr langen Titeln zu veröffentlichen und ich mein Captain America Agression Deck You think this letter on my head stands for France? und mein Spider-Woman Aggression/Gerechtigkeit Deck I have no idea how Jessica Drew is supposed to work but really liked the comic run where she had a baby nicht veröffentlichen kann. Schade.

Aber, um das hier nicht komplett kritiklos stehen zu lassen, die neueren Veröffentlichungen sehen leider alle furchtbar uninteressant aus. Zumindest die Begegnungskarten. Es kommt mir vor, als wären alle einfachen Mechaniken erschöpft, und es werden nur noch alte Mechaniken kombiniert. Woran ja eigentlich nichts schlechtes wäre, aber die Karten sind alle absolute Schlüsselwortmassaker. Ich mein der letzte Schurke20Leuten sind in dem Spiel Spoiler wichtig, denen will ich nicht den Spaß verderben von Sinister Motives hat über seine drei Stufen verteilt insgesamt vier Schlüsselwörter, seine Schergen haben auch nochmal fünf verschiedene und eine davon nur unter bestimmten Bedingungen. Das ist … schwierig zu verwalten, besonders wenn man solo spielt und an alles alleine denken soll.

Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Trotz allem würde ich das Spiel uneingeschränkt empfehlen. Und das beste: Von allen Sammelkartenspielen auf dieser Liste hat Marvel Champions das bei weitem beste Basisspiel. Auch ohne Erweiterungen steckt da jede Menge Spaß drin. Es kann wirklich nichts schaden, das wenigstens mal auf der Watchlist zu haben.

Menno, eigentlich müsste Asmodee mich für dieses Loblied bezahlen.

Was ihr fairerweise über die Daten wissen solltet

Das hier ist ja nur Spaß und so ein Ranking auch keine Wissenschaft, trotzdem gibt es einige Sachen, die ich nicht unerwähnt lassen wollte:

  • Komplett Aeon’s End habe ich zu einem Spiel zusammengefasst, auch wenn ich viele Kartensets gespielt habe, die das originale Basis-Spiel nicht mal berühren.
  • Außen vor gelassen habe ich Paleo, von dem ich weiß dass ich es gespielt habe, schließlich tracke ich ja jede Partie, aber ich kann mich beim besten Willen nicht besonders gut dran erinnern, deswegen wäre der Vergleich unfair gewesen.
  • Außerdem außen vor gelassen habe ich Mensch ärgere dich nicht. Ja, das taucht in meinen gespielten Partien auf, aber läuft gefühlt irgendwie außer Konkurrenz. Was ist denn der Wert darin hier jetzt zu sagen dass das kein besonders gutes Spiel ist, wenn alle wissen dass man das eh nur spielt um sich in bestimmten Gesellschaften zu beschäftigen, weil es halt jeder kann und einen nicht besonders fordert?
  • Schließlich habe ich auch noch Lifeline, Dungeon Roll, Memoir ’44 und Race for the Galaxy ausgenommen, weil ich sie ausschließlich digital gespielt habe. Das ist natürlich auch spielen, ich will das hier gar nicht invalidieren, aber eben doch irgendwie was anderes.
  • Und leid tut es mir für The Crew, das ich 2022 gespielt habe, aber das zu spät für das Ranking gekommen ist. Ich dachte eigentlich es wäre kein Problem jetzt schon damit anzufangen, weil ja bestimmt so kurz vor Ende des Jahres nichts neues mehr dazu kommt, und bäm, da ist es. Ich schätze ich hätte es so irgendwo um Platz 20 herum platziert und mit viel Glück taucht es ja im nächsten Jahr auf.